Der Bauwerkszustand des Illerstegs sowie die hochwassertechnischen Anforderungen haben zur Folge, dass das Bauwerk zeitnah erneuert werden muss. Aus diesem Grunde wurde die Durchführung eines städtebaulichen Realisierungswettbewerbs beschlossen. 14 Planungsbüros haben an diesem Wettbewerb teilgenommen. Ein Preisgericht, bestehend aus Fachleuten im Brückenbau, Architekten, Städteplaner und Vertreter der verschiedenen Fraktionen aus dem Kemptener Stadtrat haben im Januar über die Planungsentwürfe beraten und die Preisträger festgelegt.
Im Jahr 2023 werden nun die Detailplanungen ausgearbeitet. Dabei werden insbesondere auch die Anschlüsse rund um das Bauwerk betrachtet. Der Neubau soll in den Jahren 2024 und 2025 durchgeführt werden.
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Geschichte des Illerstegs
Der Illersteg in Kempten wurde erstmalig im März 1930 als 5-Feld-Holzbrücke gebaut. Sie diente damals auch nur dem Fuß-und Radverkehr. Im Jahr 1946 kam es dann zum Illersteg-Unglück, bei dem sechs Menschen starben und rund 200 verletzt wurden. Am 29. September veranstalteten amerikanische Soldaten im Illerstadion in Kempten ein Fest für die vom Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit geprägten Kinder. Zuvor waren Gutscheine für Süßigkeiten und Fahrgeschäfte an Schulen verteilt worden. Etwa 25.000 Menschen strömten an diesem Tag ins Illerstadion. Gegen 15:45 Uhr, als sich ca. 800 Personen auf dem Illersteg befanden, stürzte dieser ein.
Das Nachfolgebauwerk wurde als Stahlbrücke im Jahr 1948 errichtet. Die Spannweite beträgt 88 Meter, verteilt auf 7 Brückenfelder. Mittlerweile ist das Bauwerk aus statischen Gründen sowie zum Hochwasserschutz erneuerungsbedürftig. Problematisch sind bei entsprechenden Hochwasserabflüssen die Pfeiler im Illerfeld. Dort bleibt das Treibholz hängen und gefährdet das Bauwerk.
Bilder zur Geschichte des Illerstegs
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Realisierungswettbewerbs zum Neubau Illersteg
Insgesamt wurden 14 Planungsentwürfe eingereicht. Entsprechend den Vorgaben des Wasserwirtschaftsamtes wurden 1 Feld- bis 3 Feldbrücken entworfen. Als Baustoffe für das Tragwerk wurden unterschiedliche Konstruktionen in Stahl, Stahlbeton und Holz gewählt. 7 Entwürfe wurden mit einem oben liegenden Tragwerk (zum Beispiel Überzug) eingereicht, während die anderen 7 Entwürfe konventionell mit einem unten liegenden Tragwerk konzipiert wurden. 2 Konstruktionen wurden mit einem Dach versehen. Das Preisgericht tagte am 13. Januar 2023. Folgende Kriterien wurden dabei bewertet:
- Gestaltung und städtebauliche Einbindung sowie verkehrsplanerisch Funktionsfähigkeit
- Konstruktion, Materialität und Brückenausstattung
- Montagekonzept und Bauablauf
- Baukosten und Wirtschaftlichkeit
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Ersatz-Neubau Illlersteg
Förderung
Der bestehende Illersteg überspannt die Iller als Fuß- und Radwegbrücke. Er ist derzeit die einzige Verbindung zwischen der St.-Mang-Brücke und der Nordbrücke des Mittleren Rings und dient als zentraler und einziger Übergangspunkt von den östlichen Stadtteilen direkt ins Stadtzentrum. Aus statischen und wasserbautechnischen Gründen muss der vorhandene Illersteg ersetzt werden. Aufgrund von Höhenzwangspunkten und anschließenden Fahrrad- und Fußwegen soll der Ersatzneubau an der aktuellen Stelle neu errichtet werden. Dazu wird die derzeitige Brücke zunächst abgerissen. Derzeit ist eine Behelfsbrücke vorgesehen.
Um die Planungsaufgabe bestmöglich zu lösen und die hohen Qualitätsanforderungen sicherzustellen, läuft derzeit ein Wettbewerbsverfahren. Die Ergebnisse sollen im Frühjahr 2023 vorgestellt werden. Mit dem Brückenneubau soll 2024 begonnen werden.
Mit dem Wettbewerb nimmt die Stadt Kempten an der EU-Innenstadt - Förderinitiative (REACT) teil.
Gewinnermodell des Realisierungswettbewerbs Illerstegs
von Knippershelbig GmbH, Stuttgart
Der Illersteg ist als schlanke, teilintegrierte Holz-Stahl-Hybridkonstruktion entworfen. Das Haupttragwerk wird als teileingespannter zwei Feld-Durchlaufträger ausgebildet mit einem mittig angeordneten Stahlhohlkasten sowie einer Mittelstütze. Sowohl Bauhöhe als auch Trägerbreite variieren entsprechend dem Biegemomentenverlauf. Der Brückenträger ist auf einer Mittelstütze aufgelegt, wodurch sich Spannweiten von 29 und 39 m ergeben. Das seitlich ausragende Brückendeck wird in Holzbauweise aus einer Brettsperrholz-Deckplatte und unterstützenden Rippen ausgebildet. Der Gehbelag besteht aus vorgefertigten carbonfaserbewerten Feinkornbetonplatten. Aufgrund der hohen Korrosionsbeständigkeit des Carbons kann die Betonüberdeckung stark reduziert werden. Der Radweg wird mittig geführt, sodass beidseitig Gehwege verbleiben. Im Rahmen einer Nachhaltigkeitsbetrachtung wurde eine Ökobilanzierung des Entwurfs erstellt und hierbei der gesamte Lebenszyklus der Brücke betrachtet.
Visualisierung vom Gewinnermodell: Knippershelbig GmbH
Planungsidee von Knippershelbig GmbH
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WARUM SOLLTE ES MEHR SEIN?
Ein Katzensprung über die Iller. In einer flüssigen Bewegung und ohne Anstrengung führt der neue Steg Fußgänger und Radfahrer auf direktem Weg von Ufer zu Ufer. Die tragenden Elemente sind auf das Wesentliche reduziert. Ein schwungvoller Stahlkörper und ein hölzerner Überbau bilden den Brückenkorpus. Elementiert und wiederzerlegbar, eine formale Einheit bildend, wirken Stahl und Holz gemeinsam und ergänzen sich in ihren Eigenschaften. Der Materialeinsatz ist auf das Notwendige reduziert. Die Formensprache entspricht diesem Gedanken durch einfache Eleganz.
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INTEGRATION IN DIE UMGEBUNG
Der neue Steg über die Iller nimmt die ursprüngliche Position des Bestandssteges, als die sinnfällige Fortführung des Jahnweges auf. Mit der geforderten lichten Breite von 6,5 Metern wird eine großzügige und begreifbare Verbindung geschaffen. Es wurde auf eine aufstrebende Konstruktion verzichtet. So bleibt der Blick frei auf die umgebenden stadträumlichen Bezüge und die wunderschöne Fluss- und Uferlandschaft.
Im Süd-Westen schließt er an das bestehende Wegenetz in gewohnter und übersichtlicher Weise an. Durch die Reduktion der Stützpfeiler im Flussbett kann das Widerlager im Nordosten vorgezogen werden. Die leichte Aufweitung des Illerdamms erzeugt einen großzügigen Vorplatz, von welchem sich die verschiedenen Wege- und Verkehrsströmungen an einer übersichtlichen Stelle in Richtung Innenstadt, Stadion oder dem direkt daran angrenzenden Eistockplatz verteilen lassen. Die direkt daran angrenzenden Sitzterrassen im Gras entwickeln sich aus der bestehenden Topografie heraus, laden zum Verweilen und Beobachten ein und können während der Eisstocksaison als Tribüne genutzt werden. Ein leicht geneigter Weg führt zwischen dem Vorplatz und den Sitzterrassen zum „Unteren Platz“, von welchem man die direkte Nähe zu Iller genießen kann und in erlebbaren Kontakt mit der filigranen Brückenuntersicht kommt. Von hier aus haben auch die „Illersurfer“ direkten Wasserzugang und ausreichend Platz, um sich auszubreiten. Der an den Platz angebundene Uferweg wird weitergeleitet und führt von dort entlang des Ufers in Richtung Süden. -
VERKEHR UND WEGEKONZEPT
Das bestehende Verkehr- und Wegkonzept bleibt im Wesentlich erhalten und wird durch einen Zugang und Weg an der Iller im Nordosten ergänzt. Großzügige aber angemessene Platzaufweitungen an den sinnvollen Stellen betten den Brückenkörper in die angrenzenden Uferzonen ein und tragen zur Attraktivierung der Uferbereiche und Anschlusspunkte der Brücke bei. Der hinzugewonnenen Aufenthaltsqualität wird durch den neuen kleinen Uferweg Rechnung getragen.
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TRAGWERK UND KONSTRUKTION
Der Illersteg ist als schlanke, teileingespannte Holz-Stahl-Hybridkonstruktion entworfen. Das Haupttragwerk wird als teileingespannter Zweifeld-Durchlaufträger aus einem mittig angeordneten Stahlhohlkasten mit einer Mittelstütze und monolithischen, und somit biegesteifen Verbindungen an die Widerlager ausgebildet. Dabei wird die Einspannung des Überbaus erst nach erfolgtem Ausbau des bis dahin nur aufgelegten Brückendecks realisiert, so wird der Träger nur für den Verkehrslastanteil eingespannt („Teileinspannung“). Die Ausformung des Hauptträgers folgt dem Biegemonentenverlauf: sowohl Bauhöhe als auch Trägerbreite und die Gurtblechdickenabstufung variieren entsprechend der über die Länge lokal veränderlichen statischen Beanspruchungen. Der Brückenträger ist auf einer Mittelstütze aufgelegt, wodurch wirtschaftliche Spannweiten von 29 und 39 Metern entstehen.
Die Verbindung vom Stahlhohlkastenüberbau zur Mittelstütze erfolgt mittels eines Bleches aus hochfestem Stahl, welches als Federlamelle eine lagerlose und definiert biegeweiche und längsverschiebliche Kopplung erzeugt. Die integrale Bauweise realisiert ein dauerhaftes Tragwerk mit geringen Unterhaltsaufwendungen ohne Fugen und wartungsaufwändige Lager. Das seitlich auskragende Brückendeck wird in Holzbauweise aus einer Brettsperrholz-Deckplatte und unterstützenden Brettschichtholzrippen ausgebildet. Vorgefertigte Deck-Module, bestehend aus einer sich über die gesamte Brückenbreite und ca. 2,40 Meter Brückenlänge aus zwei geneigt angeordneten BSP-Tafeln gefügten Deckplatte mit jeweils an den Seiten untergesetzten BSH-Rippen, werden auf den vorab auf Seitenwiderlager und Mittelstütze aufgelegten Stahlhohlkasten aufgesetzt und über aufgeschweisste Bolzen fest verbunden.
Durch exakt positionierte Elastomerstreifen auf den Stahlhohlkastenflanken werden die Lasteinleitungsbereiche der quer zum Stahlhohlkasten verlaufenden Tragrichtung definiert und die Biegedruckkräfte der symmetrischen Lastanteile des Querträ-gers über den Stahlhohlkasten kurz geschlossen. Um die unterschiedlichen Temperaturausdehnungen zwischen Stahllängsträger und dem aufsitzenden, segmentierten Holzaufbau kompensieren zu können, werden die einzelnen Holzmodule durch eine 5 Millimeter dünne, durch Einschubstreifen in Längsausfräsungen gesicherte Fuge quer zur Stahlträgerrichtung getrennt. -
TECHNISCHE AUSSTATTUNG/ BELEUCHTUNGSKONZEPT/ GELÄNDER/ BELAG
Der Gehbelag besteht aus vorgefertigten karbonfaserbewehrten Feinkornbetonplat-ten. Aufgrund der hohen Korrosionsbeständigkeit des Karbonfasergeleges gegen-über allen angreifenden Medien kann die Betonüberdeckung stark reduziert werden. Mit der als räumliche Matte vorgefertigten Bewehrung wird eine Bauteildicke von nur 40 Millimeter möglich. Die circa 2,4 Meter breiten vorgefertigten Platten sind planar und folgen dem Quergefälle von 2,0 % der Unterkonstruktion. Die Lauffläche ist sandgestrahlt, so ist eine gute Rutschfestigkeit sichergestellt. Die Fugen zwischen den Platten sind mit einem dauerelastischen Fugenverguss verschlossen. Das Geländer mit einer Höhe von 1,3 Meter wird durch schlanke Flachstahlprofile im Abstand von 2,4 Metern als leichte Konstruktion entworfen, welche durch eine Seilnetzausfachung transparent und mit minimalen Materialeinsatz die geforderten Eigenschaften erhält. Ein Holmprofil mit unterseitig eingelassener LED-Deckbeleuchtung bildet den Handlauf. Durch dieses blendfreie Beleuchtungskonzept kann die Ausleuchtung zur Sicherheit der Fußgänger und Radfahrer ausreichend dimensioniert werden, ohne zur Lichtverschmutzung des Naturraums beizutragen.
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MATERIALAUSWAHL UND KREISLAUFEFFEKTIVITÄT
Die Materialienauswahl der Bauteile für den Illersteg erfolgt nach den spezifischen Kriterien der Eignung, der Leistungsfähigkeit sowie unter Berücksichtigung einer möglichst ausgeglichenen Ressourcen- und Emissionseffizenz. Für den Brücken-körper wird eine Holz-Stahl-Hybridkonstruktion vorgeschlagen, die auf der Ebene der Bauelemente sowie des Materials Anforderungen der Kreislauffähigkeit wie folgt gerecht wird:
• Wiederverwendung (oder kaskadische Weiterverwertung) des Stahlhohlkasten und schließlich Rückführung in den technischen Kreislauf
• Wiederverwendung der Brettschichtholz-Kragarmen sowie der Brettsperrholz- Deckplatte und schließlich (nach langer Nutzungsdauer), thermische Verwertung
Die drei wesentlichen Materialien: Stahl, Holz, Carbonbeton sind konsequent ent-sprechend ihrer spezifischen Funktion und Leistungsmerkmale gezielt eingesetzt und so zum Bauwerk verbunden, dass Wartung, Austausch und Entfügbarkeit nach Nutzung (‚End-of-Life‘) einfach möglich sind. -
NACHHALTIGKEIT UND ÖKOBILANZIERUNG
Im Rahmen einer Nachhaltigkeitsbetrachtung wurde eine Ökobilanzierung des Entwurfes erstellt und hierbei den gesamten Lebenszyklus der Brücke betrachtet. Die grauen Emissionen die bei der Herstellungsphase der Materialien und dem Bau sowie der Recylingphase der Brücke entstehen, wurden hierbei berücksichtigt. In der Herstellungsphase wird die Sequestrierung, also der in der Biomasse des Holzes gespeicherte Kohlenstoff, als negative Emissionen angerechnet.
Das Bauwerk erreicht einen Wert von 340 kgCO2/m², bzw. emittiert insgesamt 166 Tonnen CO2. Durch die Verwendung von Holz werden jedoch im Brückenbauwerk insgesamt 39 Tonnen CO2 gespeichert. Somit emittiert das Bauwerk in der Herstel-lungsphase inklusive Sequestrierung 124 Tonnen CO2, bzw. 254 kgCO2/m². Bei einer Wiederverwendung der Materialien, kann das gespeicherte CO2 des Holzes dem neuen System zugeführt werden. Zudem können durch die auf die Wiederverwendung entwickelten Verbindungen zukünftige Herstellungsemissionen minimiert werden.
Durch die Verwendung von Holzkragarmen können im Vergleich zu Stahlkragarmen (Bsp. HEA 120) die Emissionen um 56 Tonnen CO2 reduziert werden. Zusätzlich können die Emissionen der Widerlager durch die Verwendung von emissionsarmen Zementen verringert werden. So zeigt der Vergleich von CEM III und CEM II A eine mögliche Reduktion der Emissionen um die 19 Tonnen CO2 . Des Weiteren können betriebliche Emissionen, durch den Verzicht von wartungsintensiven Brückenlagern und die Verwendung einer effektiven LED-Beleuchtung minimiert werden. -
HERSTELLUNGSVERFAHREN UND MOTAGEKONZEPT
Vorfertigung der drei Stahlhohlkastenträger-Elemente und der einzelnen Holz-Deck-Module sowie der Carbonbeton-Fertigteilplatten im Werk. Anschließend Abdichtung der Holz-Deck-Module mit dampfdiffusionsoffener Membran.
Vorbereiten der Flächen, Aushub und Herstellung der Stahlbetonwiderlager beidseitig in Ortbetonbauweise sowie der Gründung des Stahlbeton-Fertigteil-Flusspfeilers auf beiden Seiten.
Transport der vorgefertigten Bauteile zur Baustelle, Einhub der Fertigteilstütze und Auflegen des Mittelteils des Stahlhauptträgers sowie im Anschluss der weiteren Stahlträger.
Einheben des Holz-Deck-Module und Absetzen auf Stahlhohlkasten-Träger. Einhub und Montage der Carbonbeton-Belagsplatten.
Ausbetonieren der Anschlussbereiche des Stahlträgers in die Stahlbetonwiderlager
Montage des Geländers und des Handlaufs.
Rückbau und Wiederverwendung der Einzelelemente sind möglich. Alle Verbindungen sind so konstruiert, dass ein Lösen und Materialtrennung ermöglicht wird, z.B. durch Verschraubung. -
WARTUNG UND INSTANDHALTUNG
Neben dem Verzicht auf Lager und Übergangskonstruktionen, sowie die integrale Bauweise der Widerlager bietet das Tragwerk Redundanzen für eine flexible und dauerhafte Nutzung. Die konstruktiven Details und Materialien basieren auf erprobten, dauerhaften und zuverlässigen Systemen. Alle Brückenbereiche werden gut zugänglich gestaltet und mit robusten Konstruktionen und Materialien auf eine wartungsarme Nutzungszeit ausgelegt. Die Positionierung der Stütze erlaubt optimale Bedingungen für eine flexible Nut-zung am und auf dem Fluss.
Alle Belange des konstruktiven Holzschutzes gemäß DIN 68800 werden vollumfäg-lich berücksichtigt.
Pläne vom Gewinnermodell: Knippershelbig GmbH
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